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Wie hat sich Storytelling in den letzten Jahren verändert und was kann die Markenkommunikation daraus lernen?

Storytelling ist der Grund weshalb ich meinen heutigen Beruf ausübe und seit 16 Jahren in der Werbe- und Kommunikationssbranche tätig bin. Als Literaturwissenschaftlerin hat es mich immer fasziniert, wie Menschen seit Anbeginn der Zeit sich Geschichten erzählt haben: um die Komplexität der Welt zu reduzieren, um schwierige Situationen verständlicher zu machen, um anderen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen oder sie vor Gefahren zu schützen.  

In den letzten Jahren haben sich alle unsere Systeme, von globalen Handels- und Informationsnetzen bis hin zu den persönlichen Verbindungen, die wir mit unseren Freunden, Familien und Kollegen haben, verändert. Grundsätzlich. Das BANI-Modell (brüchig, anxious/verunsichert, non-linear, incomprehensible/unverständlich) beschreibt eine neue Welt, in der die alten Werte und Regeln nicht mehr gelten.

In diesem Zusammenhang hat sich die Art und Weise, wie Geschichten erzählt werden, dramatisch verändert, besonders unter dem Einfluss von Krisen wie der Corona-Pandemie, dem Erstarken populistischer Bewegungen in vielen westlichen Ländern oder die Rückkehr von Trump in die politische Weltbühne. Diese Veränderungen in der Erzählweise und im Inhalt haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Verhalten von Menschen und die Erwartungen an Markenkommunikation und -strategie.

Welche Erkenntnisse sind hierbei relevant für Unternehmen und ihr Marken- und Kommunikationsstrategie?

1. Vereinfachung und Emotionalisierung statt Komplexität

In einer Zeit der Unsicherheit und der Angst vor dem Unbekannten – ob durch eine Pandemie oder politisch instabile Bedingungen – neigen Narrative dazu, stark vereinfacht und emotional aufgeladen zu werden. Geschichten greifen immer häufiger auf Archetypen zurück, die Sicherheit oder Angst symbolisieren, um auf Instinkte und Emotionen zu wirken. Marken können hier lernen, die Kommunikation so zu gestalten, dass sie zwar vereinfacht, aber dennoch nuanciert bleibt. Sie sollten sich dabei auf Authentizität und Ehrlichkeit stützen, anstatt nur Emotionen zu manipulieren.

2. Fokus auf Gemeinschaft und Werte

Eine der bedeutendsten Veränderungen, die durch die Pandemie und politische Polarisierung gefördert wurde, ist die Betonung auf das „Wir“. Geschichten, die eine Gemeinschaft schaffen oder gemeinsame Werte betonen, werden zunehmend bevorzugt. Gerade in Krisenzeiten suchen Menschen nach Orientierung und Zusammenhalt. Für Marken bedeutet dies, dass sie sich nicht nur als Produkthersteller, sondern als Teil einer Gemeinschaft positionieren sollten. Sie könnten ihre Werte deutlicher in den Vordergrund stellen und zeigen, wie sie zum Wohl der Gemeinschaft beitragen – ob durch Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung oder Inklusion.
Ein positives Beispiel hierfür ist die R+V Kampagne (2020) von Serviceplan Campaign München „Du bist nicht allein“.

3. Authentizität und Transparenz als Grundlage

Populistische Strömungen bedienen sich häufig simpler, zugänglicher Narrative, die Misstrauen gegenüber etablierten Institutionen und Komplexität schüren. Diese Erzählweise hat auch Erwartungen an die Markenkommunikation beeinflusst: die Konsumenten möchten offen und ehrlich angesprochen werden. Unternehmen sollten daher in ihrer Kommunikation transparent und greifbar bleiben, ohne sich hinter Corporate Jargon zu verstecken.

4. Flexibilität und Resilienz in der Markenpositionierung

Da sich die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen immer schneller ändern, müssen Marken lernen, flexibel zu bleiben, ohne ihre Identität aufzugeben. Erfolgreiche Marken positionieren sich heute so, dass sie auf gesellschaftliche Veränderungen eingehen können und trotzdem ihren Kern bewahren. Dabei geht es darum, Trends nicht unüberlegt zu folgen, sondern klarzustellen, wie die eigenen Werte zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen passen. Diese Agilität ist in einer Zeit des schnellen Wandels unverzichtbar.

Die aktuelle Kampagne von IKEA im Zuge ihrer Nachhaltigkeitsstrategie „Zuhause kannst du dir alles leisten“ ist ein gutes Beispiel dafür. In dieser Kampagne von McCann Spain setzt IKEA auf Authentizität und zeigt sich nicht nur als Möbelverkäufer, sondern als Unternehmen, das sich aktiv mit den Themen Wiederverwertung und Kreislaufwirtschaft auseinandersetzt. In ihren Botschaften und Kampagnen betont IKEA, wie Möbel und Einrichtungsmaterialien wiederverwendet und upcycelt werden können, und motiviert Kund:innen, gebrauchte Möbel zurückzubringen oder weiterzuverkaufen. Mit dieser neuen Marketingkampagne zeigt das Unternehmen weltweit auf kreative Weise, wie IKEA Kund:innen auch in Zukunft dabei unterstützen wird, finanzielle Herausforderungen zu meistern. Dies positioniert IKEA nicht nur als nachhaltige Marke, sondern stärkt auch das Vertrauen und die Loyalität der Kunden, die zunehmend Wert auf Umweltbewusstsein legen.

5. Geschichten als Orientierungshilfe und Sicherheitsanker

Vor allem in Krisenzeiten suchen Menschen nach Geschichten, die ihnen Orientierung bieten und sie emotional stabilisieren. Marken können dies nutzen, indem sie Geschichten erzählen, die Sicherheit und Vertrauen ausstrahlen. Storytelling kann hierbei als Anker fungieren, der Konsument:innen eine Art „Kompass“ gibt, der sie durch Unsicherheiten navigiert. So werden Marken zu stabilen Bezugspunkten im Alltag der Menschen und festigen ihre Bindung an die Marke.

Erkenntnisse für die Markenkommunikation

Marken, die in einem gesättigten und umkämpften Markt erfolgreich sein wollen, müssen mehr bieten als Produkte und Services. Sie sollten sich als zuverlässige, werteorientierte Akteure positionieren, die Geschichten erzählen, die eine tiefere Bedeutung haben und zu den aktuellen Bedürfnissen der Zielgruppe passen. Authentizität, Gemeinschaftsgefühl und Flexibilität in der Kommunikation schaffen eine Grundlage, auf der Vertrauen und Loyalität gedeihen können.

Für Unternehmen und Marken bedeutet dies, nicht nur ihre Zielgruppe genau zu verstehen, sondern auch ihre eigene Identität und ihren Beitrag zur Gesellschaft klar und ehrlich zu kommunizieren. Die Zukunft des Brand Storytelling liegt im authentischen Narrativ, das Komplexität reduziert, Menschen Orientierung bietet und eine starke, loyale Gemeinschaft um die Marke schafft.

Bild: https://simpleshow.com/blog/branding-brand-story/

Giulia Donato